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von BGS Administrator - Montag, 6. Dezember 2010, 09:48
Weltweit öffentlich
St. Nikolaus

Der Tag, an dem man die Kinder mit süßem Naschwerk, einem „warmen Wollröcklein" und vielgestaltigem Spielzeug be­schenkte, war noch bis ins 19. Jahrhundert hinein der 6. Dezember, das Fest des Heiligen Nikolaus, der schon früh zu den im Mittelmeerraum allgemein verehrten Heiligengestalten gehörte. Die wunderreiche Lebensgeschichte, die sich um den Bischof rankt, der im 4. Jahrhundert Hirte von Myra in Kleinasien war, enthält vielleicht auch Züge mehrerer Kirchenrnänner gleichen Namens, zum Beispiel auch des Abtes Nikolaus von Sion im 6. Jahrhundert. Bei uns beginnt der Kult erst im 10. Jahr­hundert im Rheinland. Die Kennzeichen des Heiligen: neben dem Bischofsornat drei Brote oder goldene Äpfel auf einem Buch, ein Anker oder auch drei Kinder in einer Kufe weisen auf das Bild hin, das die Legende uns zeichnet. Nikolaus, der durch wunderbare Schiffserrettung zum Patron der Seefahrer und Kaufleute wurde, soll den Töchtern eines armen Mannes drei Äpfel durchs Fenster ihrer Schlafkammer geworfen haben. Die Äpfel wandelten sich in Gold, so besaßen die Mädchen ein reiches Heiratsgut und wurden vor Schande bewahrt. Auch soll der Heilige drei tote Knaben zum Leben wiedererweckt haben.

Die Belohnung der bravenDiese Geste des Beschenkens und des Helfens, der Belohnung der Braven insbesondere, weitete sich bei uns zu einem der gestaltenreichsten Volksbräuche aus. Vor allem die Sitte, an seinem Kalendertag einen „Episkopus puerorum" (Knaben­bischof) zu wählen und dabei den Kindern die Freiheit zu allerlei Umzügen und Heischebräuchen zu gewähren, festigte solche Tradition. Auch im protestantischen Norden wurde vielerorts dieser Tag der Kinder weiterhin begangen. Erst langsam ver­blaßte der gütige Heilige zum „Weihnachtsmann", im französischen Raum zum„Pere NoeT.In England ist der „Santa Claus" (der auch nach Nordamerika mit auswanderte) der Gabenbringer schlechthin, während sich in einigen Landschaften noch das gabenbringende Christkind eingebürgert hat, dem als Packträger der Knecht Ruprecht dient. Dem Heiligen im gold­strahlenden Ornat folgt aber zumeist ein dunkler Begleiter, der rechte Kinderschreck; kettenrasselnd und an die Türen schlagend erzwingt er sich Einlaß; rußgeschwärzt, ein wütender Geselle mit Zottelpelz und Teufelsgehörn führt er strafend die Rute. Im Norden sind seine Namen: Pulterklaas, Booklaus, De zwarte Pitt, Hans Muff, Beelzebub, Pelzebrock und im Süden: Bartl, Schmutzli, Leutfresser, Krampus, Klaubauf, Pelznickel. Die Belohnung der guten und die Bestrafung der bösen Kindlein gehören in die moralisierende Landschaft des ausgehenden Mittelalters, da Schrecken und körperliche Züchtigung als ausschließliches Mittel der Erziehung angesehen wurden (oft genug noch bis heute). Man erblickte im Kind nur denkleinen Erwachsenen, und abweichende Verhaltensmuster suchte man unerbittlich auszumerzen.

St.NikolausZeugnisse des Nikolaus als Gabenbringer lassen sich angeblich in Nordfrankreich bis ins 12 Jahrhundert zurückverfolgen. Die Sitte faßte Fuß und weitete sich aus zu einem Geschenkbrauch unter den Erwachsenen. Je nach Stand und Vermögen versuchte man mit allerhand Überraschungen aufzuwarten, vom einfachen Backwerk und den zahllosen Süßigkeiten, Marzipan und kandierten Früchten für jung und alt bis zu kostbarsten Geschenken. Im Norden, bis nach Skandinavien hin wurde auch die Sitte heimisch, den Kindern die Gaben im Schuh oder „Geschenkstrumpf' zukommen zu lassen, der erwar­ tungsvoll auf die Türschwelle gelegt oder vor das Fenster gehängt ward.

Ein weiterer Anlaß des Austauschens und des gegenseitigen Gedenkens war der Neuj ahrstag. Die den Glückwünschen ver­bundenen Präsente und Minnegaben waren auch hier meist von gestalthafter Aussage; vor allem Lebzelten und Gebäcke aus den vielfältigen Modeln, die der Schatz einer jeden Hausfrau waren. Damals brauchte man sie in den Familien oft über Jahrhunderte hin zum Fest. Die Backformen erzählen den ganzen Wunschkatalog einer noch anspruchslosen Gesellschaft. Da gab es die allgemeinen Glückssymbole (oft auch als Wachsgüsse): Sonne und Stern, Schwein, Ring, Rad oder Füllhorn, die Spinnerin und den Reiter, die überreicht wurden. Besonders beliebt waren die Sinnbilder für Liebe, Partnerschaft und Kindersegen: Pärchen, flammende Herzen und schnäbelnde Tauben, der Klapperstorch, Wiege und Wickelkind und der „Kindlibringer", der gleich ganze Scharen von Nachwuchs in seiner Kiepe trägt. Hinzu kamen die Jahreszeiten- und Monats­ bilder, die geistliche Emblematik wie Löwe, Einhorn, Pelikan, Adler und die religiösen Figuren Schutzengel und Heilige. Von den Kindern wurden besonders die meist alemannischen „Springerles"-Formen geliebt; es gab sie als ganze Tafeln, quasi gebackene Bilderbücher mit Berufs- und Handwerksfolgen, mit den Gegenständen des Hausrats im Stile des Bilderlottos, Menagerien mit wilden Tieren und häufig auch Alphabete, um sich das Wissen süß und umso lieber einzuverleiben. Der Heilige Abend als strahlendes Fest des Gabentisches ist also noch nicht so alt. In einem Brauchwandel, dermerkwürdiger- weise heute kaum mehr in den einzelnen Stationen zu verfolgen ist, verblassen all diese jahrhundertealten Schenksitten, machen Platz für den Gabentisch unter dem „deutschen Weihnachtsbaum", der aus dem Elsaß stammt, wo er schon im 16. Jahrhundert in Gebrauch gekommen zu sein scheint und sich von dort aus wandernd so fest eingebürgert hat, daß er auch über unseren Sprachraum hinaus mehr und mehr zu einer europäischen Weihnachtssitte wird. (Quelle: Hansmann, Claus und Liselotte: Das Atlantis Weihnachtsbuch. Atlantis 1997, S. 39-40)

[ Geändert: Montag, 6. Dezember 2010, 10:11 ]